„Für einen Nachhaltigkeits-Kodex der SHK-Wirtschaft“

Frankfurt am Main, 11. März 2013
Michael Hellmund ist Vorstandsvorsitzender der Keramag AG, eines der führenden deutschen Unternehmen im Bereich Sanitärkeramik. Im Interview mit Blue Responsibility spricht Michael Hellmund über Konjunkturaussichten, internationalen Wettbewerb, Nachhaltigkeit, Zukunftstrends, den demografischen Wandel, die Nutzung neuer Medien und den Stellenwert des Heimatmarkts.

Blue Responsibilty: Herr Hellmund, die ISH steht vor der Tür – welche Erwartungen haben Sie an diese ISH?
Hellmund: Die ISH hat als zentrale Weltleitmesse höchste Bedeutung für die gesamte Sanitärbranche. Wir gehen mit hohen Erwartungen und ambitionierten Zielen nach Frankfurt, um dort erneut unsere Vorreiterrolle bei der Produktinnovation und Vertriebspartnerschaft zu unterstreichen.

Blue Responsibility: In welchem konjunkturellen Umfeld findet die ISH 2013 statt?
Hellmund: Nach einem sehr ordentlichen Geschäftsverlauf in 2012 ist unsere Branche mit Elan und Zuversicht in das neue Jahr durchgestartet. Trotz des schwierigen gesamtwirtschaftlichen Umfelds präsentiert sich die Baunachfrage stabil. Das zeigt die Entwicklung bei den Baugenehmigungen. Motor wird der Wohnungsbau bleiben, aber auch im Wirtschaftsbau stehen die Ampeln auf grün. Im öffentlichen Hochbau-Bereich rechnen wir mit einer Erholung. Das gilt vor allem für die Schaffung zusätzlicher Kita-Plätze. Ungebrochen ist die Neigung der privaten Modernisierer, lieber in ein neues Bad zu investieren als in riskante Zertifikate, wie es ifo-Chef Sinn empfohlen hat.

Blue Responsibility: Wie beurteilen Sie die Rolle der deutschen Sanitär-Industrie im internationalen Vergleich?
Hellmund: Die deutsche Sanitärindustrie gilt international als führend und richtungweisend bei der technologischen Weiterentwicklung, bei Produktqualität, Angebotsvielfalt und Langlebigkeit. Daraus ist allerdings nicht der Fehlschluss abzuleiten, den forcierten Wettbewerb z. B. aus Japan und China zu unterschätzen. Ganz im Gegenteil: Wir müssen uns ständig weiter verbessern, um unsere Position halten und ausbauen zu können.

Blue Responsibility: …und insbesondere im Hinblick auf Nachhaltigkeit?
Hellmund: Auch hier hat die deutsche Sanitärindustrie seit vielen Jahren immer wieder entscheidende Beiträge im Sinne der globalen Nachhaltigkeitsziele geliefert. Angesichts der sich verschärfenden Probleme bei der weltweiten Wasserversorgung stellen sich allerdings noch große Herausforderungen, die nicht nur wirtschaftliche und technische, sondern zunehmend auch ethische und moralische Dimensionen annehmen.

Blue Responsibility: Was bedeutet Nachhaltigkeit für Sie im täglichen Geschäft?
Hellmund: Nachhaltigkeit ist seit Jahrzehnten ein wesentlicher Bestandteil der Keramag-Unternehmensphilosophie. Wir haben die damit verbundenen Verhaltensregeln schon im Alltag gelebt, bevor manch anderer diesen Begriff überhaupt zur Kenntnis genommen hat. So haben wir schon 1994 als erstes Unternehmen der sanitärkeramischen Industrie das Umweltmanagement-Zertifikat erhalten. Seitdem werden die Standards und Fortschritte bei Qualität und Umweltschutz regelmäßig durch externe Fachleute nach DIN 14001 überprüft und zertifiziert. Im Mittelpunkt stehen dabei Energieeinsparung, Schadstoffreduzierung, Müllvermeidung, Abfalltrennung, Recycling und Wasseraufbereitung. Darüber hinaus ist Nachhaltigkeit seit vielen Jahren ein wichtiger Maßstab für unsere Produktentwicklung, die nicht nur bei Funktion und Design als vorbildlich gilt, sondern auch unter dem Blickwinkel der Verwendung ökologisch einwandfreier Materialien, der Wasserverbrauchssenkung, der Energieeinsparung und des reduzierten Einsatzes von Reinigungsmitteln.

Blue Responsibility: Wie kann die deutsche Sanitärindustrie die Bürger ihrer Meinung nach mehr für Nachhaltigkeit sensibilisieren?
Hellmund: Leider wird der Begriff „Nachhaltigkeit“ heute oft undifferenziert und inflationär als zeitgeistiges Modewort ohne Substanz benutzt. Hilfreich wäre, wenn die deutsche SHK-Wirtschaft eine offizielle Nachhaltigkeits-Selbstverpflichtung mit klarer Definition von Verantwortung, Zielen und Aufgaben eingehen und kommunizieren würde. Die Haustechnik-Branche ist als anerkannter Problemlöser prädestiniert, hier eine Wegweiser- und Sprachrohr-Funktion gegenüber der breiten Öffentlichkeit zu übernehmen. Ein solcher Nachhaltigkeits-Kodex der SHK-Wirtschaft würde nicht nur zur Klarstellung beitragen, sondern auch das Image unserer dreistufigen Vertriebspartnerschaft „nachhaltig“ verbessern.

Blue Responsibility: Inwieweit wird sich das Badezimmer in zwanzig Jahren vom heutigen Standard unterscheiden?
Hellmund: Der Stellenwert der häuslichen Badkultur wird weiter zunehmen. Das Badezimmer wird vor dem Hintergrund der allgemeinen Beschleunigung der beruflichen und privaten Lebensbereiche zum wichtigen Refugium für Körperpflege und Entspannung avancieren. Dieser Trend führt zu verstärkter Nachfrage nach hochwertigen Sanitärprodukten, die Funktion, Komfort, Ergonomie, Design und Zusatznutzen auf einen attraktiven Nenner bringen. Bei der Entwicklung von Elementen mit Zusatznutzen gewinnt der Einsatz elektronischer Steuerungen und Komponenten weiter an Bedeutung. So wird ein „Vorzeigebad“ im Jahr 2033 auch gesundheitsrelevante Kontroll- und Fitnesseinrichtungen umfassen. Außerdem wird das Badezimmer mit den anderen Wohnräumen funktional vernetzt sein.

Blue Responsibility: Der demografische Wandel schreitet in Europa voran. Inwiefern ist dies bei der Entwicklung und dem Verkauf von Sanitärprodukten spürbar?
Hellmund: Der Anteil der Generation 65+ an der Gesamtbevölkerung wird bis 2030 um rund ein Drittel auf etwa 22,3 Mio. Menschen wachsen. Alle Untersuchungen belegen, dass die meisten älteren Menschen großen Wert darauf legen, möglichst lange selbstbestimmt in ihrem Wohnumfeld zu bleiben. Schon heute fehlen in Deutschland – dem Kuratorium Deutsche Altershilfe zufolge – etwa 2,5 Mio. angepasste Wohnungen für mobilitätseingeschränkte Senioren. Daraus ergeben sich auch bei der Badausstattung erhebliche Bedarfsverlagerungen. Keramag trägt den demografischen Trends seit vielen Jahren durch gezielte Produktentwicklung Rechnung. Unser Sortiment reicht von barrierefreien Speziallösungen für behinderte Menschen bis zum generationsübergreifenden Komplettbad, das sich an durch Alter veränderte Anforderungen anpassen lässt. In der Bereitstellung individueller Problemlösungen sehen wir eine unserer wichtigsten Aufgaben.

Blue Responsibility: Welche großen Herausforderungen kommen in Zukunft auf die Sanitärindustrie zu?
Hellmund: Über den Erhalt der internationalen Wettbewerbsfähigkeit, die Nachhaltigkeit, die Innovation und den demografischen Wandel haben wir schon gesprochen. Damit sind wir, die wir uns ja vorrangig auf unsere vielfältigen Aufgaben als Hersteller konzentrieren, eigentlich schon gut ausgelastet.

Für Keramag zählt darüber hinaus vor allem die Stärkung des dreistufigen Vertriebswegs zu den zeitlos wichtigen Herausforderungen. So muss das Dreierbündnis gemeinsame Antworten auf das sich durch Internet und E-Commerce verändernde Informations- und Kaufverhalten der Endgebraucher finden. Eine forcierte Abwanderung von Nachfrage in andere Vertriebskanäle kann man nicht tatenlos hinnehmen. Wir sehen gute Chancen, um die funktionale Arbeitsteilung zwischen Industrie, Großhandel und Handwerk auch durch Nutzung der neuen Medien zu optimieren. Das gilt vor allem für die gemeinsame Ansprache, Gewinnung und Bindung von Endkunden durch intelligente Koop-Marketing-Strategien.

Blue Responsibility: Sie sind ein international agierendes Unternehmen. Welche Besonderheiten hat der deutsche Markt für Sie?
Hellmund: Deutschland ist der wohl am besten organisierte und strukturierte Sanitär-Markt überhaupt. Das zeigt sich aus Endkundensicht an der bun-desweit kurzfristigen Verfügbarkeit aller gängigen Produkte und hand-werklichen Dienstleistungen in hoher Qualität. Keramag konzentriert sich traditionell vorrangig auf den Heimatmarkt und die hiesigen Vertriebspartner. Unser großes Engagement wird in Sanitärgroßhandel und -handwerk nicht nur erkannt, sondern auch anerkannt. Das wiederum trägt dazu bei, unsere guten, oft freundschaftlichen Geschäftsbeziehungen zu den Sanitär-Profis weiter zu vertiefen.

Blue Responsibility: Welche Themen beschäftigen Sie aktuell?
Hellmund: Wir bereiten uns derzeit mit Volldampf auf einen guten ISH-Auftritt vor. Gerade hier hängt der Gesamterfolg von einer gelungenen Komposition vielfältiger Details ab. Wir freuen uns, Gäste in Halle 3.1 (Stand Nr. B11) persönlich begrüßen zu dürfen.

Weitere Informationen finden Sie unter www.blue-responsibility.com

„Für einen Nachhaltigkeits-Kodex der SHK-Wirtschaft“